Viele Menschen, die ein Startup betreiben, wollen mit ihrer Idee die Welt verändern. Das Zürcher Startup Procedural hat sich dabei die Welt in 3D vorgenommen. Das ETH-Spin-off hat in dem Bereich die führende Software-Lösung für Filme, Städteplanung und Architektur entwickelt. Vor kurzem wurde es nun vom US-Unternehmen Esri aus Kalifornien übernommen. Wir haben mit dem venturelab-Alumni und CEO von Procedural Pascal Mueller ein Interview geführt.
2007 gegründet, kommt das ETH-Spinoff Procedural bereits zum Exit. Der US-amerikanische Spezialist für GIS-Software Esri hat das Zürcher Startup um das Management-Team Pascal Mueller (CEO), Simon Schubiger (CTO) und Dominik Tarolli (CTO) übernommen. Interessant wurde Procedural vor allem durch die Technologie ihrer 3D-Software CityEngine und auch durch den Standort Zürich. Den ersten Kontakt zwischen den beiden Firmen gab es vor einem Jahr bei einem gemeinsamen Projekt. Procedurals erste Produktversion ging Ende Juli 2008 an den Start. Fast drei Jahre später hat man sich erfolgreich im Markt etabliert und nach der Übernahme noch zusätzlich einen starken Vertrieb im Rücken. Wir haben uns mit dem CEO und Software-Spezialisten Pascal Mueller unterhalten.
«Pascal, wird es den Namen Procedural weiter geben und welche Möglichkeiten bietet Euch die Übernahme?»
Pascal Mueller: «Einerseits sind wir natürlich überglücklich dass unser Produkt CityEngine weitergeführt, erweitert und breiter vermarktet werden wird, und andererseits haben wir nun massiv mehr Ressourcen zur Verfügung, um innovative und neue Technologien zu entwickeln. Entsprechend wird kurzfristig der Name Procedural weitergeführt, langfristig wird das Branding auf Esri's R&D Zentrum in Zürich ausgelegt, so dass Forscher und Entwickler von der ETH und aus aller Welt angelockt werden können.»
«Wann hast du eigentlich angefangen dich mit Computer bzw. dem 3-D Modeling zu beschäftigen?»
Pascal Mueller: «Ich hatte als Kind wohl zu viel Lego gespielt, daher wohl die Vorliebe für das 3D Modeling (grinst). Mit 14 Jahren musste dann die Entscheidung getroffen werden ob ich mir mit meinem Ersparten ein «Töffli» oder ein Computer kaufe. Letzterer hat gewonnen. Mein Informatikstudium an der ETH habe ich dann entsprechend auf Computergrafik ausgerichtet.»
«Ihr habt u.a. viele Preise, z.B. den Red Herring Top 100 gewonnen. Machen Preise für Startups den Unterschied aus?»
Pascal Mueller: «Diese Preise sind vor allem praktisch, um bei Investoren Eindruck zu schinden. Bei den Verleihungen bzw. Präsentationen kann man dann natürlich auch gute Kontakte mit den Vertretern dieser illustren Zunft knüpfen.»
«Ihr seid viel auf Messen unterwegs und betreibt viel Marketing. Hast du vielleicht noch einen alternativen Tipp, um auf sich aufmerksam zu machen oder auch exzellente Mitarbeiter an Land zu ziehen?»
Pascal Mueller: «Wenn man Aufmerksamkeit erregen will, muss man als Startup oft auf kreative und gewagte Guerilla-Taktiken zurückgreifen – aber genau darum macht Marketing in einem Startup ja Spass. Gute Entwickler holt man mit einem technisch faszinierenden Produkt an Bord.»
«Du hast bei venturelab die beiden Startup-Intensivworkshops venture training und venture plan absolviert. Was hat es gebracht?»
Pascal Mueller: «Die Zeit war sehr, sehr wertvoll und ich kann diese Kurse nur weiterempfehlen. Es ist fantastisch wie venturelab auf höchst effiziente Weise die Grundlagen und den Spirit des Startup-Lebens vermittelt.»
«Du bezeichnest dich selbst als Start-upper mit grosser Leidenschaft, die es auch braucht um gegen Technikriesen wie Google oder Microsoft zu bestehen. Welche Vorteile siehst du sich bei einem Startup einzubringen und hast du jetzt Bedenken, dass du unter Esri diese kreative Leidenschaft nicht mehr so gut ausleben kannst?»
Pascal Mueller: «Bei einem Startup kann man sehr effizient und unkompliziert arbeiten. Aufgrund der knappen (Organisations- und Kontroll-)Ressourcen haben Mitarbeiter viele Entscheidungsfreiheiten und können ihre Fähigkeiten und Kreativtät gezielt einsetzen. Entsprechend ist es sehr wichtig, dass man den anderen Mitarbeitern und in ihre Fähigkeiten vertraut. Das resultiert einerseits in höchst effiziente Arbeitsprozesse und schafft andererseits ein sehr angenehmes Arbeitsklima. Dass wir diese Strukturen und Freiheiten behalten können war eine der Bedingungen, dass wir überhaupt einen Exit machen.»
«Vor einem halben Jahr haben wir berichtet, dass ihr an einem EU-Projekt arbeitet, mit dem 3D-Städte von ganz Europa entstehen sollen. Wie ist hierzu der Stand?»
Pascal Mueller: «Das EU-Projekt wird im November abgeschlossen und die Resultate sind vielversprechend. Inwiefern es kommerzialisiert wird ist noch nicht spruchreif, nur so viel: Esri ist neben Google, Microsoft, TomTom und Nokia die einzige Firma die 'alle' Karten hat.»
«Manchmal werden Stimmen laut, dass in der Schweiz zu wenig in gute Startups investiert wird. Kannst du das teilen, da ihr aus einem ganzen Pool von staatlicher Unterstützung, Banken, Stiftungen, Business Angels und Venture Capitalists schöpfen konntet?»
Pascal Mueller: «Ich glaube Seed Funding ist gut abgedeckt in der Schweiz. Hingegen sieht es bei 'Series A Funding' im IT-Bereich eher düster aus, so habe ich zum Beispiel schon seit längerem nichts mehr von signifikanten Series A Runden von Schweizer Investoren bei Schweizer IT-Startups gehört. Was etwas gar verwunderlich ist, hat doch die Informatik an der ETH einen ähnlich guten Ruf hat wie die der Stanford University im Silicon Valley.»
«Welche grossen Hollywood-Produktionen konnte man in der letzten Zeit, ohne wahrscheinlich zu wissen, dass da ein Zürcher Startup seine Hand mit im Spiel hatte?»
Pascal Mueller: «Pixar's Cars 2 ist die erste grosse Produktion, in der unser Produkt CityEngine massiv eingesetzt wurde. Die Produktion startete 2009, d.h. es dauerte also fast zwei Jahre. Inzwischen haben wir aber sehr viele der grossen Visual Effects und Animations Studios an Bord, von den 'Avatar'-Machern Weta bis hin zu Shrek's Dreamworks. Da wird also noch einiges kommen...»
«Nach so vielen Städten in 3D – was ist deine Lieblingsstadt, die du dir am liebsten in echt anschaust?»
Pascal Mueller: «Visuell und aufgrund der legendären Gebäude gefällt mir nach wie vor New York City am besten. Aber mich fasziniert auch in jeder Hinsicht die Weitläufigkeit, Verrücktheit und Skurrilität von Los Angeles – was ja sehr gut passt, da das Headquarter von Esri quasi in der Agglomeration von L.A. ist.»